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Krankenstand kann teuer kommen

von Timea Piatro Griffiths

geposted in Oh! Die Franzosen , sozialsystem , krankenstand , frankreich

Ich war (wieder einmal) sprachlos. Und mein Gegenüber konnte beim besten Willen meine Reaktion nicht verstehen. Wahrscheinlich hielt er mein "Are you serious??!!" für eine etwas übertrieben Reaktion und versicherte mir ganz ruhig, dass das normal sei und dass er diese Vorgehensweise nachvollziehen könne.

Und ich. Ich war sprachlos. Mal wieder.

Der Anlass dieses Gespräches war ein sehr simpler Zustand: Ich wurde krank und konnte nicht arbeiten gehen. Wenn man krank wird, geht man zum Arzt. Allerdings entpuppte sich dieser Arztbesuch als ziemlich bizarr. Nach einer Stunde Wartezeit hatte ich die Gelegenheit meine Beschwerden innerhalb einer Minute zu beschreiben (während dessen der Arzt immer wieder auf seine Stirn griff und Schweißperlen abwischte um genervt auf seinem Sessel herumzuschaukeln). Während dessen nickte er und Tippte mühsam etwas am Computer, was sich später als ein Rezept mit 4 Arzneimitteln herausstellte. Das Tippen unterbrach er, indem er kurz zu mir hochsah und fragte: "Haben Sie auch Breichreiz, Fieber?" um nach meiner positiven Antwort zwei weitere Medikamente auf das Rezept zu schreiben. Auf meine Frage ob ich wirklich alle 6 Medikamente brauchen würde antwortet er gereizt: "Ja, wenn Sie wieder gesund werden wollen." Somit wollte ich ihm keine weiteren Schlaganfall-Risiken aussetzen, bedankte mich, nahm das Rezept und die Krankmeldung entgegen, zahlte 28 Euro für die 5 Minuten und ging.

Nach zwei Tagen Krankenstand ging ich (auch ohne das Rezept eingelöst zu haben) wieder gesund zur die Arbeit, überreichte meinem Arbeitgeber die Krankmeldung und dachte, dass es schön ist, dass wenigstens die Krankmeldung wie in Österreich abläuft.

Falsch gedacht. Am Anfang des neuen Monats bekommt man einen Gehaltszettel auf dem festgehalten wird, wie viele Tage und Stunden man gearbeitet hat.

Wenn ein Monat aufgrund der Feiertage und Wochenenden wenig Arbeitstage hat, bekommt man weniger Gehalt, weil man ja an weniger Tagen gearbeitet hat. Der Unterschied kann zwischen 50 und 200 Euro liegen.

Die Überraschung kam aber, als mir erklärt wurde, dass ich doch nicht erwarten könne, für die Tage, an denen ich krank war, Gehalt zu erhalten. Anfangs war ich etwas verwirrt, denn man zahlt ja doch die Krankenversicherung und jegliche Arten von anderen Versicherungen. Und dann wurde ich über folgenden Sachverhalt aufgeklärt:

In Frankreich wurde vor einiger Zeit die Regelung eingeführt, dass man für die ersten 3 oder 4 Tage, an denen man krank ist, kein Gehalt bekommt. Für die restliche Zeit erhält man gnädigerweise 50-70% des normalen Stundenlohnes.

Zusätzlich habe ich erfahren, dass Paare mit Kindern eine Nanny organisieren müssen, sobald das Kind krank ist und nicht in die Schule oder Kindergarten gehen kann. Denn Pflegeurlaub gibt es anscheinend nur in Österreich... In Frankreich kann ein sehr kooperativer Chef dem Elternteil im Krankheitsfall ein, zwei Tage Urlaub gewähren. Allerdings werden diese Tage wirklich als Urlaub angesehen und von dem Urlaubsanspruch abgezogen.

Mein Informant hätte dann auch noch versucht, mir zu erklären, dass man 1, 2 Wochen vor der Entbindung in Karenz gehen kann und gesetzlich das Recht auf ein paar Wochen Mutterschaftsurlaub hat. Allerdings konnte ich da nicht ganz zuhören, da ich mit meinen Gedanken noch bei den "Bussi-gebenden-trotz-Krankheit-in-die-Arbeit-kommenden" Franzosen war, die es sich einfach nicht leisten können, für eine längere Zeit krank zu sein. Da ansonsten am Ende des Monats trotz Festanstellung und Krankenversicherung das Geld nicht für die Miete reichen würde.

C'est la vie.

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